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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 27.03.2010


Anna Netrebko, Daniel Barenboim - In The Still Of Night
Lisa Erdmann

Obwohl ihr Debüt mehr als 15 Jahre zurückliegt, hat es die Primadonna assoluta erst in 2006 realisiert, Werke aus dem heimatlichen, russischen Lied-Repertoire zu vertonen. Mit...




..."In The Still Of Night" setzt Anna Netrebko diesen Weg fort und entführt, von Ausnahmekünstler Daniel Barenboim am Piano begleitet, die HörerInnen zu einem Liederabend, den sie ganz den slawischen Kunst-Werken ihrer Heimat widmet.

Die 1971 im südrussischen Krasnodar geborene Anna Jurjewna Netrebko zählt heute zu den berühmtesten Opernsängerinnen der Gegenwart und ist weltweit auf allen großen Bühnen zuhause. Dabei liest sich ihre Karriere fast wie ein Märchen: Als Kind singt sie so gut, dass ihre Eltern sie an das Rimski-Korsakow-Konservatorium in Sankt Petersburg schicken, wo sie Gesang studiert, 1993 gewinnt sie den Glinka-Gesangswettbewerb in Moskau.

Während ihres Studiums in Sankt Petersburg arbeitet sie als Putzfrau im berühmten Mariinsky Theater. Sie will den Proben lauschen, den großen OpernsängerInnen ganz nah sein und wird - wie sollte es in einem Märchen anders sein - vom Generaldirektor Valery Gergiev entdeckt, gefördert und 1994, im Alter von 22 Jahren am Theater engagiert.

Ihr Debüt gab Anna Netrebko im gleichen Jahr als Susanne in Mozarts "Die Hochzeit des Figaro", 1995 besetzt sie die Titelrolle von Glinkas "Ruslan und Ludmilla" und feiert ihre erste Premiere in den USA. Spätestens seit ihrem Salzburg-Debüt in 2002, als sie die Rolle der Donna Anna im "Don Giovanni" singt, gilt Anna Netrebko als Ausnahmetalent. Heute lebt die 38-Jährige Sopranistin in Sankt Petersburg und Los Angeles, zählt zu den bedeutendsten Opernsängerinnen seit Maria Callas und veröffentlicht mit dem Live-Mitschnitt "In The Still Of Night" ihr mittlerweile neuntes Klassik-Glanzstück.

Am 17. August 2009 hatte Anna Netrebko "In der Stille der Nacht" gemeinsam mit dem überragenden Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim zu einer intimen Klassik-Begegnung in das Salzburger Festspielhaus geladen. Nikolai Rimsky-Korsakovs und Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Romanzen, welche Netrebko mit der Feinfühligkeit einer Muttersprachlerin unübertrefflich darbot, standen auf dem Programm.

Die beiden Komponisten gelten als die zwei Hauptvertreter der "Romanze", einer russischen Form des Kunstliedes, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Komponisten wie Glinka und Dargomyschsky kreiert wurde. Vorraussetzung für die Blüte des russischen Liedguts war das steigende Interesse und Ansehen der Literatur Puschkins und Lermontows. Vor allem der vorrangig durch seine Orchesterwerke bekannte Rimsky-Korsakov fand in Puschkins Werken seine Inspiration. Mehr als 20 seiner Lieder beruhen auf den Lyriken des Nationaldichters.

Auf "In The Still Of Night" stellen Anna Netrebko und Daniel Barenboim der repräsentativen Auswahl von Romanzen Rimsky-Korsakovs einen ebenso charakteristischen Querschnitt durch Tschaikowskys Schaffen gegenüber. Stilistische Verwandtschaften kann die Hörerin ebenso beobachten wie grundlegende Unterschiede. Während Rimsky-Korsakov bei seinen Werken Volkstümlichkeit und leichte Singbarkeit in den Vordergrund stellt, schlagen Tschaikowskys Romanzen einen opulenteren, eher balladenhaften bis opernnahen Ton an. Besonders faszinierend: Anna Netrebko braucht kein Orchester, um die Klangfarben und die Atmosphäre der Lieder zu vermitteln. Ihre Stimme und Barenboims unverwechselbares Klavierspiel reichen aus, um die Thematik der Lieder, die Dramatik der unglücklichen, verletzten Frau gelungen zu verkörpern.

Mit Rimsky-Korsakovs sehnsuchtsvollem "What it is, in the still of night" eröffnen Netrebko und Barenboim ihre nächtliche Gegenüberstellung der beiden Komponisten. Dabei lässt die Sopranistin von Anfang an keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur eine herausragende Operndiva, sondern auch eine überwältigende Liedsängerin ist. Barenboims zurückhaltendes Pianospiel beweist sich als idealer Begleiter, transkribiert kunstvoll die träumerische Atmosphäre und legt sich geschmeidig unter Netrebkos glasklares Timbre, welches das Publikum mit samtiger Schwermütigkeit und tiefer Emotionalität in seinen Bann zieht.

Auch die folgenden Opera werden von der Sopranistin in eine zarte Melancholie gehüllt. Spätestens bei "It was not the wind, blowing from the heights" ist das Auditorium berührt von der Intimität, mit welcher die 39-Jährige die elegisch-getragenen Lieder Rimsky-Korsakovs interpretiert. Tschaikowskys fast schon düster anmutende Werke werden von dem musikalischen Traumpaar ebenso treffend vertont.

Titel wie "To the realm of rose and wine", "Dream on a Summers Night" und "Was I not a blade of grass in the field?" präsentieren eine neue Anna Netrebko, die einfühlsam, mit eher leisen Tönen und tiefem Moll brilliert. Schwungvollere Ausnahmen sind nur das zwitschernde "The larks` song rings more clearly" und Tschaikowskys lieblich-verzücktes "Serenada". "In The Still Of Night" ist ein Klassik-Erlebnis, das trotz Instrumenten-Armut ein Feuerwerk russischen Klang-Kolorits darstellt.

Anna Netrebko im Netz www.annanetrebko.com

AVIVA-Tipp: Mit "In The Still Of Night" kann frau die musikalische Sternstunde von 2009 nun auch ganz privat genießen und die heimischen Gefilde in russische Romantik hüllen. Auch wenn Mimik und Gestik der Sopranistin beim bloßen Hören verborgen bleiben, kann frau doch den Pathos und die Leidenschaft fühlen, welche Anna Netrebko, die Ausnahmekünstlerin mit der russischen Seele, als Muttersprachlerin unübertroffen zum Besten gibt.

In The Still Of Night
Anna Netrebko, Daniel Barenboim

Label: Deutsche Grammophon, VÖ: März 2010

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Lisa Erdmann